Dieser Artikel bietet Angehörigen von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) Informationen darüber, wie sie die sozialen Medien für ihre Arbeit nutzen können. Außerdem wird ein Überblick über die Funktionen technischer Software-Anwendungen gegeben, welche die Verwendung von Social Media zur Gefahrenabwehr unterstützen können. Der Artikel beinhaltet hierzu drei Handreichungen zum Thema.
Gestiegene Bedeutung von Social Media
Immer mehr Menschen informieren sich über das aktuelle politische Geschehen und gesellschaftliche Leben nicht mehr über Zeitung, Radio oder Fernsehen, sondern über das Internet und insbesondere die sozialen Medien. Die Nutzenden hinterlassen hierbei Spuren im Internet. Die dabei täglich neu entstehenden Datenmengen sind umfangreich. Eine Auswertung dieser Daten mittels intelligenter Verfahren wird bereits von Unternehmen genutzt, etwa zu Trend- und Meinungsanalysen sowie zu Identifikation und Profiling von Meinungsführenden.
Lageinformationen in sozialen Medien
Auch BOS können von Social Media Monitoring profitieren. Soziale Medien stellen eine mögliche Informationsquelle in Schadenslagen dar (Reuter 2020, S. 314). In Schadenslagen ist es für BOS essenziell einen umfassenden Situationsüberblick zu erhalten. Nur auf Basis valider Informationen können korrekte Entscheidungen getroffen und die Krisenkoordination effizent organisiert werden. In Schadens- und Gefahrenlagen werden soziale Medien verstärkt zum Informationsaustausch genutzt (Hughes & Palen 2009). In solchen Lagen besteht ein erhöhter Informationsbedarf seitens der direkt und indirekt Betroffenen. Aktive Nutzende sozialer Medien verstärken in Krisensituationen ihre dortige Kommunikation. Die Analyse nutzendengenerierter Daten aus sozialen Medien kann Informationen zur Etablierung und Aufrechterhalten des Situationsbewusstseins in Krisen liefern (Cameron et al. 2012). Ferner können mit den Daten Ereignisse erkannt und analysiert sowie die Stimmungen in der Bevölkerung erfasst werden.
Einsatzzwecke von Social Media für BOS
Eine qualitative Erhebung im Rahmen des Forschungsprojektes ResKriVer ergab, dass die sozialen Medien von BOS hauptsächlich zur Ausgabe von Informationen und nur selten zur Lageinformationsgewinnung genutzt werden. Im Bereich „Zuhören” steht aktuell bei den Feuerwehren fast nur das Thema, wie in den sozialen Medien über die eigene Organisation berichtet wird, auf der Agenda. Die Checkliste „Einsatzzwecke von Social Media für BOS” fasst diese zusammen.
Funktionalitäten von Social Media Monitoring Software
Die Studie von Kaufhold et al. (2017) ist der Frage nachgegangen, welchen Funktionsumfang bestehende Systeme zur Analyse sozialer Medien bieten und welche Ausprägungen charakterisiert werden können. Die Features der untersuchten Analyse-Tools wurden in drei Bereiche unterteilt: (1) Managementfunktionen, (2) Analysefunktionen und (3) Visualisierungsfunktionen. Anhand der Checkliste „Funktionalitäten von Social Media Monitoring Software zum Krisenmanagement” können BOS prüfen, welche der Funktionalitäten für ihre Einsatzzwecke relevant sind, um deren Vorhandensein beim Erwerb einer für sie passenden Social Media Monitoring Software sicherzustellen.
Rechtliches
In sozialen Medien finden sich regelmäßig personenbezogene Daten, also solche die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Bei der Verarbeitung solcher personenbezogenen Daten ist stets das Datenschutzrecht zu berücksichtigen.
Seit 2018 gilt europaweit die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), national wird sie durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ergänzt, welches ebenfalls 2018 eine neue Fassung erhalten hat und an die DSGVO angepasst wurde. Die Grundsätze für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten finden sich in Art. 5 DSGVO und stehen unter den Überschriften: „Rechtmäßigkeit – Transparenz – Zweckbindung – Datenminimierung – Richtigkeit – Speicherbegrenzung – Integrität und Vertraulichkeit“. Wenn z.B. die Polizei zur Strafverfolgung (repressives Polizeihandeln) tätig wird, gilt die DSGVO nicht. Wenn die Polizei aber den Verkehr regelt, gilt die DSGVO. Der Schwerpunkt der Tätigkeit ist immer im Einzelfall zu bestimmen. Eine sehr umstrittene Norm findet sich im BDSG §3 die besagt, , dass die Verarbeitung von Daten, durch öffentliche Stellen zulässig ist, wenn diese zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich ist. Für eine präventive und dauerhafte Nutzung von Daten ohne Einhaltung der DSGVO findet sich jedoch keine Anwendung. Das Thema wird vermutlich in naher Zukunft durch Urteile oder Ergänzungen der Gesetzte konkretisiert. Bis dahin ist es ein Bereich, in welchem Vorsicht geboten ist um nicht empfindliche Strafen zu riskieren.
In der Checkliste „Datenschutz” sind die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Ausblick
Die sozialen Medien sind ein hochdynamisches Feld. Die Übernahme von Twitter durch Elon Musk und die Umbenennung in X haben signifikante Veränderungen hervorgerufen. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Veränderungen auf die Plattformpolitik, Datenschutzaspekte und die Verwendung von Twitter-Daten für Monitoring-Zwecke auswirken werden. Soziale Medien beeinflussen unsere Gesellschaft im Hinblick auf Kommunikation, Information, sozialer Interaktion und Meinungsbildung. Es zeichnet sich ab, dass die Bedeutung für die verschiedenen Einsatzzwecke im Rahmen des Krisenmanagements groß ist. Es sind jedoch in diesem Bereich noch weitere Untersuchungen notwendig.
Literatur-Referenzen
Cameron, M. A., Power, R., Robinson, B., & Yin, J. (2012, April). Emergency situation awareness from twitter for crisis management. In Proceedings of the 21st international conference on world wide web (pp. 695-698). Online verfügbar, letzter Zugriff 22/09/2023.
Hughes, A. L., & Palen, L. (2009). Twitter adoption and use in mass convergence and emergency events. International journal of emergency management, 6(3-4), 248-260. Online verfügbar, letzter Zugriff 22/09/2023.
Kaufhold, M. A., Reuter, C., Ludwig, T., & Scholl, S. (2017). Social Media Analytics: Eine Marktstudie im Krisenmanagement. INFORMATIK 2017. Online verfügbar, letzter Zugriff 22/09/2023.
Reuter, C. (2020, March). Quo vadis? Digitalisierung und soziale Medien im Bevölkerungsschutz. In Digitalisierung als Erfolgsfaktor für das Sozial-und Wohlfahrtswesen (pp. 309-318). Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. Online verfügbar, letzter Zugriff 22/09/2023.