Von der Realität zum Modell: Die Abstraktion von realen Versorgungsnetzen 

Eine wesentliche Grundannahme unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenlebens ist, dass Rohstoffe, Halbzeuge und Produkte ungehindert zwischen weltweit verteilten Akteuren bewegt werden können. Dieser Materialfluss erfolgt über ein Netz aus Knoten (z.B. Produzenten, Umschlagspunkte), die über Kanten (z.B. Transportwege) verbunden sind.  
Ein stark vereinfachtes Beispiel einer Lieferkette ist in Abb 1. dargestellt. Die Nachfrage nach einer FFP2-Maske in einer Senke (z.B. ein Rettungsdienst) wird über einen Händler bedient. Der Händler erhält die FFP2 Masken von einem Produzenten, welcher von vier unterschiedlichen Lieferanten mit den Materialien Vliesstoff, Nasenbügel und Elastikbänder beliefert wird. 

Abb. 1: Beispielhafte Lieferkette einer FFP-Maske 

Für die Beschreibung dieser Prozesse sind, je nach Komplexität des Modells, beliebig viele Prozessparameter notwendig. Gleichzeitig zeigt sich, dass die Verfügbarkeit von Informationen mit dem Abstand von der Senke abnimmt. Während im Beispiel der FFP2-Masken für den Rettungsdienst vielleicht noch Bestelldaten und Informationen über den Produktionsort vorhanden sind, fehlen zu Zulieferern (sog. TIERs), Umschlagspunkten und Modi der Transporte jegliche Informationen.  

Abb. 2: Knoten mit unvollständigen Informationen in der FFP2-Lieferkette 

Für die Modellierung von Versorgungsnetzen haben diese Informationslücken enorme Konsequenzen. Mitunter sind große Teile eines solchen Liefernetzes nicht darstellbar. Eine Bewertung der Anfälligkeit für Disruptionen und ihrer Auswirkungen sowie Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz (z.B. durch Identifikation von Halbzeugsubstituten) sind nicht möglich. 
Der Lösungsansatz des ResKriVer-Modellierer-Teams ist eine modularisierte Abstraktion der Teilprozesse. Sie werden zu übergeordneten „Containern“ zusammengefasst, die durch generierte, verallgemeinerte Beschreibungen definiert sind. Beispiele für Datenquellen solcher generalisierten Parameter können nach Experten:innenschätzungen, öffentlich verfügbare Daten oder Analogieschlüsse aus vergleichbaren Produktgruppen sein.   
Bei Vorliegen von neuen Informationen können die generalisierten Prozessparameter substituiert werden und dadurch die Modellierung verfeinert werden. 

Abb. 3: Bildung von “Datencontainern” zu Teilprozessen als Lösungsansatz 

Der Lösungsansatz ermöglicht die Modellierung von Liefernetzwerken bei unvollständigen Informationen und bildet die Grundlage für tiefergehende Analysen des Liefernetzwerkes hinsichtlich eintretender Disruptionen (z.B. Engpassanalyse). 

Ihre Ansprechpartner:innen für diese Themen im ResKriVer-Konsortium sind Dr.-Ing. Paul Geoerg (geoerg@vfdb.de), Prof. Thomas Hoppe (thomas.hoppe@fokus.fraunhofer.de) und Johanna Kim Kippenberger (johanna.kim.kippenberger@iml.fraunhofer.de).